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Die Zusammenarbeit von Journalisten und Bloggern im Social Web – eine Replik

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Sehr gut. Da kam dieser Tage eine Anfrage von Christan Fein, dem @monochromrassist, via Twitter rein:


Der Link deutet auf einen seinen Artikel, in dem er sich mit dem Verhältnis von Bloggern und Journalisten auseinandersetzt. Gedanklich habe ich das auch schon mehrere hundert Mal, es gab 2011 sogar eine „Zur Sache“-Runde bei RNF zu diesem Thema, und ich habe auch in einer Session-Pause der re:publica 2011 mal etwas dazu geschrieben.

Grundsätzlich: Ich bin sowohl ein Blog- als auch ein Journalismusvertreter. Ich mag die Abgrenzungsdiskussion nicht, sondern sehe, dass die Grenzen mehr und mehr verschwimmen. Und das ist gut so. Als ich Christians Artikel las, erinnerte ich mich, dass ich irgendwann mal etwas formuliert hatte, nach dem Motto: Wenn sich einzelne Blogger mit hoher Fachkenntnis und Recherche-Eifer zusammentäten, würde bald so etwas wie eine Redaktion und letztlich ein journalistisches Produkt entstehen. Ich habe den Post gefunden – es war 2009, und ich hatte die Gedanken von meinem ersten re:publica-Besuch mitgebracht. Sie finden sich etwa in der zweiten Hälfte des Artikels. Ich hab’s eben noch einmal nachgelesen – und man darf mich mit meinen Aussagen dort noch immer beim Wort nehmen, trotz der ins Land gegangenen Jahre. Auf die via Twitter gestellte Frage von Christian gibt es in den oben verlinkten Artikeln sicherlich schon einige Meinungsansätze. Und vielleicht auch in diesem Artikel aus dem Jahr 2009, in dem es um die Differenzierung von klassischem Fernsehen und Video im Web geht: In den Grundstrukturen sehe ich das noch genau so; aus meiner Sicht könnte man nach vier Jahren noch einmal drüber reden, ob es tatsächlich keine Stars aus dem Netz gibt – da wäre ich heute vielleicht etwas vorsichtiger in der Formulierung. Wobei es bei allem – das klingt aus meinen früheren Artikeln auch schon heraus – immer auf die Perspektive ankommt: Aus Sicht des Netzmenschen sind Y-Titty und Gronkh Stars – ohne Frage. Im Vergleich zu Andrea Berg sind sie es, hm, nicht mehr so sehr. Weil das Massenmedium Fernsehen in bestimmten, nicht prioritär netz-affinen Zielgruppen, noch immer eine immense Durchschlagskraft hat.

Wenn wir nun – was wir ja eigentlich tun – über das Verhältnis von Blogs und Journalismus reden, dann sollten wir diesen Aspekt auch hier nicht vergessen: Eine Vielzahl von – ich drücke es bewusst neutral aus – Informations-Rezipienten sind nicht den ganzen Tag im Netz unterwegs. Es gibt Menschen, die haben echt anderes zu tun. Kühe melken, Autos reparieren, Häuser bauen. Oder sie sind im Netz, haben da aber professionell anderes zu tun: Kurse checken, Reisen planen, Lieferscheine verwalten. Die haben schlichtweg nicht die Zeit – oder am Abend nicht mehr die Lust – sich auch noch durch einen Feedreader zu quälen oder Nachrichtenseiten gegeneinander abzuchecken. Das sind Menschen, die darauf vertrauen, dass andere Menschen sich den ganzen Tag ausreichend Gedanken darüber gemacht haben, welche Information wichtig zu wissen sein könnte und wie diese Information am leichtesten verdaulich präsentiert werden kann. Und dann sind wir halt doch wieder beim Journalismus und bei Nachrichtenportalen und bei Fernsehsendungen und sowas alles. Information – vorsortiert, gefiltert, manchmal (zu) oberflächlich. Ok. Nachrichten dieser Art sind massenkompatibel, und ich meine das in diesem Fall nicht einmal abwertend. Sie sind gewissermaßen das Fundament, auf dem jeder einzelne User sein Informationsgerüst bauen kann, vertiefend, spezialisierend, wie auch immer man das nennen mag. Und hier, glaube ich, haben Blogs ihre hundertprozentige Berechtigung. Sie geben der Information die Würze, sie reflektieren, rücken gerade, ergänzen. Und wieder erkennt man: Es ist nicht ein Gegeneinander, sondern ein Miteinander.

Wenn ich mich so umschaue, dann mache ich eine ähnliche Beobachtung wie Christian: Wenn sich wer im Web mit Information auseinandersetzt, dann vor allem mit der, die von den „Großen“ auf den Markt geworfen wird: Springer, Spiegel, ab und zu auch mal von einem der im Netz besonders aktiven Regionalportale. Blogger und Twitterer – das ist meine subjektive Wahrnehmung – referenzieren gerne auf Geschichten, die dort bereits abgebildet sind und betreiben über Einordnung, Kritik, Erweiterung, Meinung eine Zweitverwertung der Information. Damit machen sie die etablierten News-Portale am Ende nur noch stärker. Unabhängige Information kommt  weitaus seltener in die Linkschleuder – von Ausnahmen natürlich abgesehen. Warum? Weil es eben nur wenige Blogs gibt, die wirklich originäre Information verbreiten. Wenn sie es wollen, wird es recht schnell recht zeitaufwändig. Dann kann man als Blogger das Engagement auch gleich professionalisieren, und – oh – damit haben wir ein neues journalistisches Produkt mit all dem Rattenschwanz, der dranhängt: Man braucht eine Redaktion, die kostet Geld, also muss ein Vertrieb dazu, man braucht Werbung oder ein Payment-System, in beiden Fällen aber auch eine relevante User/Leser/Zuschauer-Basis, Verwaltung, Recruiting und so weiter. Ach so: Und Inhalte. Einen steten Strom an Inhalten. Denn anders als ein Blog, das mal einen neuen Artikel im Angebot hat oder auch nicht, braucht ein journalistisches Produkt, das regelmäßige Kosten hat regelmäßig verdientes Geld und daher einen regelmäßigen Erscheinungszyklus. Das bedeutet regelmäßige Arbeit, und die ist nichtmal immer gleich pulitzerpreisverdächtig und auch nicht immer qualitätsjournalismusverdächtig. Sie stellt zunächst einmal nur den Strom sicher, man mag es auch Grundrauschen nennen. Aber der stete Strom wiederum stellt sicher, dass dann, wenn wirklich etwas passiert oder eine Story sich abzeichnet, das journalistische Medium reagieren, auf das Thema einsteigen oder ein Thema groß machen kann. Dann ist alles knorke. Für den Rest der Zeit muss man sich zuweilen anhören, dass das alles vollkommen irrelevant sei, was man gerade publiziert.

Ein Punkt, der mich noch beschäftigt: Christian fordert, wie schon andere vor ihm, dass jeder Journalist ein Blog führen sollte. Sehe ich auch so. Aber. Journalisten sind nicht selten tagsüber und zu anderen komischen Uhrzeiten bereits damit beschäftigt zu recherchieren und zu publizieren. Das heißt, sie tun genau das, was von ihnen gefordert wird, nur eben nicht auf der eigenen Plattform, sondern auf der des Verlegers, Senders, Portalbetreibers. Und manchmal reicht es ihnen am Ende des Tages mit dem Recherchieren, Publizieren und dem sich Auseinandersetzen. So wie die Friseurin vielleicht am Abend noch der besten Freundin die Haare macht, aber sonst niemandem mehr. Und der Masseur auch nicht noch seine Kumpels in der Fußballmannschaft durchkneten mag und der Fotograf nicht jeden Sonntag bei Freunden die Hochzeit durchknipsen will, nach dem Motto: „Du kannst das doch so gut.“

Je nach Thema und persönlicher Affinität mag es Sinn machen, dass ein Journalist nebenbei noch ein Blog führt. Medienjournalisten tun sich da positiv hervor – aber da passt es eben auch: Sie sind Subjekt und Objekt zugleich, in dieses Spannungsverhältnis lese ich gerne hinein. Grundsätzlich glaube ich, dass Menschen, die so gestrickt sind, dass sie gerne publizieren, das auch außerhalb ihres Jobs tun sollten. Ich habe dazu dieses Blog, mein privates Plotzerblog (alle meine Links weiter oben sind dort verortet) und zurzeit auch noch die Webseite unserer örtlichen Handball-Mannschaft, die auch nichts anderes als ein Blog ist, genau genommen. Ich verstehe aber auch, wenn ein Kollege nach Feierabend nicht mehr schreiben mag – Gründe siehe oben. Ich habe mich nie dem Druck ausgesetzt, auf meinen privaten Webseiten regelmäßig publizieren zu müssen; dazu sind sie zu sehr Hobby. Aufgeben würde ich sie aber auch nicht, dazu mag ich das Netz und seine Möglichkeiten der Interaktion zu sehr.

Umgekehrt wird aber nochmal ein Schuh daraus: Wenn junge Leute sich bei uns im Sender vorstellen, weil sie Journalist werden möchten, machen wir keine Unterscheidung, ob sie gerade noch für eine Lokalzeitung schreiben oder ein eigenes Blog führen – wichtig ist, dass sie den Drang haben zu publizieren und das bereits tun. Sich und ihre Texte, Bilder, Filme zur Diskussion stellen. Denn darauf kommt es letztlich an. So gesehen verwischen die Grenzen zwischen der Bloggerei und dem Journalismus bereits in den Anfängen. Aber ich hab‘ ja nie was anderes gesagt.